Trautmannsdorf
Kaiserin Maria Theresia hatte ihren Einfluss geltend gemacht, und so dafür Sorge getragen, dass die Herrschaft Trautmannsdorf an Karl Graf Batthyány-Strattmann verkauft wurde. Der Graf gehörte zum innersten Vertrautenkreis der Herrscherin. Ihm hatte sie die Erziehung ihres Erstgeborenen, Josephs (II.) anvertraut. 1763 wurde er in den Fürstenstand erhoben.
Aus Anlass des Eigentümerwechsels wurde eine sehr genaue Beschreibung des Schlosses verfasst. Das dazu gehörige Inventar konnte bislang nicht gefunden werden. Das Schloss ist würdig, eine kleine Festung genannt zu werden, heißt es da. Ausdrücklich wird der gute Zustand der Verteidigungsanlagen hervorgehoben und die Besonderheit des zweifachen Wassergrabens, deren einer - wie üblich - direkt um das Gebäude läuft, der zweite außerhalb der Bastionen. Zum ersten Mal wird über die Gestaltung des Terrains zwischen den beiden Wassergräben gesprochen. Der breite, hoch aufgenauerte Wall mit den vorkragenden Bastionen war befahrbar und mit Obstbäumen bepflanzt. In ihrem Schatten ließ es sich angenehm promenieren. Ferner befanden sich dort ein"Parterre-Gärtl" sowie das "Stuckhaus" (=Arsenal) mit 19 Geschützen (Stuck = Geschütz), ein Zwinger, die Gärtnerwohnung, die Orangerie und das Glashaus.
Zum ersten Mal wird die Sala terrena im Erdgeschoss erwähnt: Sie ist "sehr wohl und in Fresco ausgemahlen, worinnen eine springende Wasser-Kunst angerichtet, und die Herrschaft Sommers-Zeit zu speißen pflegte." Neben der Sala terrena befand sich ein kleiner Keller, in dem Obst und Gemüse ("grüne Kuchel-Sachen") aufbewahrt wurden. Genannt wird ferner ein "schön gewölbter Keller" für 3000 Eimer Wein" (= rund 1754 hl). Von der Schlosskapelle (Hl. Bartholomäus) erfahren wir, das sie offenbar kurz zuvor gründlich renoviert bzw. modernisiert worden war. Außer dem Hochaltar befanden sich darin zwei Seitenaltäre aus Marmor. An die Kapelle schloss sich der eigentlichen "Lustgarten" - mit Spalieren, einer sogenannten Wasserkunst (bestehend aus einer 3stufigen Fontäne), einem Vogelhaus und einem freskierten "Gängl". Dorthin gelangte man über eine Stiege direkt von den herrschaftlichen Zimmern im 1. Stock.
Man darf nicht vergessen, dass ein barockes Schloss nicht nur der Repräsentation diente (wozu auch Räume wie Bibliothek und Kunstgalerie gezählt werden), sondern für den Alltag des Lebens funktionstüchtig gerüstet sein musste. Also gab es Gästezimmer, Wohnmöglichkeit für verschiedenes Personal, vom Verwalter und dem Schlosskaplan über Militärs bis zu verschiedenen Handwerkern (samt deren Werstätten) und Bediensteten, mehrere Küchen, Waschküchen, Brandweingewölbe, Stallungen für 30 Pferde, Lagerräume.
Fast zeitgleich mit der Beschreibung von 1756 gab Johann Jakob Marinoni im Jahr 1751 sein "Lehrbuch für Vermessungskunde" heraus, das einen Lageplan des Schlosses Trautmannsdorf enthält. Der Grundriss zeigt eine unregelmäßig geschlossene Vierflügel-Anlage. N- und O-Trakt sind nicht verbunden. Am S-Flügel sind gegen die Bastionen zwei Risalite ausgebildet, am O- und W-Trakt je einer. Im Hof befindt sich im SO der frei stehende mächtige Turm. Über den äußeren Wassergraben führt eine Brücke zum Maierhof.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam Reisen in Mode. Was früher die adelige Kavalierstour war, wurde nun zur Bildungsreise des Bürgertums. Damit entstand eine neue Literaturgattung: Reisebeschreibungen, die zugleich Reiseempfehlungen waren, als eine Art Tourismus-Literatur. Der Berliner Johann Bernoulli hat im 10. Band seiner "Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntnis dienender Nachrichten" 1783 das Schloss Trautmannsdorf ausführlich beschrieben: die Nutzung der Räume und ihre Ausstattung mit Möbeln, Bildern und Kunstgegenständen sowie den Park mit seinen Pflanzen und Skulpturen. Liest man diese Beschreibung, dann kommt man zu dem Schluss, dass das Schloss den Vergleich mit keinem Wiener Palais und auch mit den berühmten Schlössern des Prinzen Eugen nicht zu scheuen brauchte. Bernoulli geht auch auf den Ort ein und schreibt: "Der Marktflecken ist ansehnlich und alle Häuser sind nach holländischer Manier auf Ziegelart roth angestrichen, welches sehr schön aussiehet. ... aussenher sind die Wege mit vielen Kastanien- und Lindenbäumen besetzt."
Im Jahr 1806 starb Fürst Ludwig Batthyány, der nur knappe 10 Jahre an der Spitze des Fideikommisses gestanden war. Das Erbe trat sein ältester Sohn Philipp an. Er war damals 25 Jahre alt und gehörte einer Generation an, die den Prunk und die Schnörkel des späten Barock ablehnte und den guten Geschmack in der strengen Schlichtheit des Klassizismus verwirklicht sah. Nach diesem Ideal sollte sein Schloss umgestaltet werden. 1810 wurden die Wassergräben zugeschüttet. 1811 begann die totale Veränderung des barocken Gebäudes. Im Familienarchiv in Budapest befinden sich ein Kostenvoranschlag des niederösterreichischen Baumeisters Ernest Koch aus dem Jahr 1811, der sich auf die geplante Bautätigkeit bezieht, und ein weiterer undatierter Kostenvoranschlag, betreffend die Orangerie und das Treibhaus. Leider konnte bislang kein Bauplan gefunden werden, lediglich ein späterer Lageplan, der die 3flügelige Anlage und den neu angelegten Garten zeigt. Der Schlosspark samt dem alten Friedhof, der sich im östlichen Bereich des Parks befunden hatte, war in einen englischen Garten umgestaltet und öffentlich zugänglich.
Der Architekt Ernest Koch war kein Unbekannter. 1755 in Mainz geboren,kam er in den 80er Jahren nach Wien, wo er verschiedene Umbauten im Sinne des Klassizismus durchführte, z. B. die Michaelerkirche und im kaiserlichen Auftrag die Fassade des heutigen Theresianums im 4. Bezirk. Koch war der "Hausarchitekt" der Familie Kinsky. In ihrem Auftrag baute er 1798 das barocke Palais Daun (nunmehr Kinsky) um, das immerhin ein Werk des berühmten Lukas von Hildebrandt war. Zwei Fakten werden deutlich: Nicht nur Philipp Batthyány wollte ein modernes Schloss, und man scheute sich auch nicht, an das Werk eines solchen Giganten der Baukunst wie Hildebrandt Hand anzulegen. Wann Schloss Trautmannsdorf fertig war, ist nicht eindeutig feststellbar. Die Angaben schwanken zwischen 1817 und 1839. Die Kosten waren extrem hoch - kolportiert wurden eine Million Gulden. 1870 starb der Fürst Philipp kinderlos. Um das Erbe entspann sich ein jahrzehntelanger Prozess. Die Nichten des Verstorbenen räumten das Schloss aus und verbrachten alles, sogar die Glocken der Kapelle, nach Margarethen am Moos. Als die Rechte des in London lebenden Fürsten Edmund Batthyány 1889 (!) anerkannt wurden, kam es zwar zur Rückstellung der Schlosseinrichtung, bis sie in Trautmannsdorf einlangte, fehlte vieles und der Rest hatte schwer gelitten.
Die Verwendung als "Landes-Winterschule für Landwirtschaft" (1899-1915) und die Vergabe von Wohnraum an 24 Familien (samt Kleintierhaltung) nach dem Ersten Weltkrieg waren für die Erhaltung der Räume nicht eben vorteilhaft. Ein Hochwasser im Februar 1921 und das Erdbeben im Oktober 1927 richteten schwere Schäden an. 1939 wurde das Schloss unter Denkmalschutz gestellt. Um 1966 erwarb das Denkmalamt die Tapete und den Ofen des "Chinesischen Zimmers" für Schloss Laxenburg. 1988 kaufte der Salzburger Unternehmer Thomas Wassibauer zwei Drittel des Schlosses und begann mit der Restaurierung. Noch in dieser Zeit wurden fast alle originalen Türbeschläge gestohlen und 1998 als besonderer Vandalenakt die Lünettenbilder über den Türen im Festsaal und einem weiteren Raum herausgeschnitten sowie in der Kapelle Wandkapitelle herausgebrochen.
Zur Zeit ist eine Wiener Immobilienfirma in Besitz des Schlosses.
Siehe auch: www.trautmannsdorf.at Gerda Mraz, Bücherei Trautmannsdorf trautmannsdorf@bibliotheken.at